Carl «Bö» Böckli Kunst, Kritik und Humor (1889 – 1970)

«Ich betrachte meine Aufgabe als eine Kulturmission. Als ich den Nebelspalter übernahm, ahnte ich freilich nicht, wie ernst es für mich werden könnte, aber ich kann beim besten Willen nicht schweigen.»

Den Lesern der renommierten Satirezeitschrift Nebelspalter ist Carl Böckli unter seinem Kürzel «Bö» bekannt. Von 1927 bis 1962 ist er Mitarbeiter und Redaktor der Zeitschrift. Seine Karikaturen sind legendär. Niemand ist vor ihm sicher – ob mächtig oder berühmt.

Überblick

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Französisch

Carl Böckli est connu des lecteurs du célèbre magazine satirique Nebelspalter sous le nom de « Bö ».

De 1927 à 1962, il a travaillé au Nebelspalter et en a été un temps le rédacteur en chef. Ses caricatures sont légendaires. Puissant ou célèbre, nul n’était à l’abri de son crayon. Ses dessins ont pris une importance politique particulière dans les années 1930 et pendant la Seconde Guerre mondiale.

En tant que pionnier de la défense spirituelle, Bö a mené avec une plume aiguisée une croisade personnelle contre les idéologies totalitaires. Ses illustrations contre la dictature, la terreur et la violence étaient sans compromis. Il avait aussi la dent dure contre les bourgeois et autres conformistes suisses.

Rétrospectivement, son œuvre est une saisissante chronique critique et ironique de la Suisse et des Suisses, assortie d’un certain goût pour l’autodérision.

Italienisch

Carl Böckli, che i lettori del rinomato giornale satirico «Nebelspalter» conoscono come «Bö», lavorò alla testata come collaboratore e redattore dal 1927 al 1962.

Le sue caricature sono leggendarie. Nessuno poteva ritenersi al sicuro con lui, potente o famoso che fosse. Le sue caricature assunsero un particolare rilievo politico negli anni Trenta e durante la seconda guerra mondiale.

Pioniere della Difesa spirituale, con il suo stile provocatorio Bö condusse una battaglia personale contro le ideologie totalitarie. Le sue illustrazioni erano tutte rigorosamente schierate contro la dittatura, il terrore, la violenza, ma anche contro il conformismo piccolo borghese e gli opportunisti.

A posteriori, la sua opera diventa una cronaca ricca di criticismo che documenta e mette in luce la storia della Svizzera e degli svizzeri, senza dimenticare l’autocritica e l’autoironia.

Besonderes politisches Gewicht erhalten Carl «Bö» Böcklis Karikaturen in den 1930er-Jahren und während des Zweiten Weltkriegs. Als Pionier des geistigen Widerstands ficht er mit spitzer Feder seinen persönlichen Kampf gegen totalitäre Ideologien. Es ist die Zeit der Geistigen Landesverteidigung in der Schweiz. Man besinnt sich auf die eigenen Werte, Traditionen und Geschichten, in Abgrenzung zum grassierenden Faschismus in den Nachbarländern und rechte Bewegungen im eigenen Land. Seine Waffe ist die Karikatur und die gekonnt dazu gesetzten Worte, von denen keines zu viel ist, aber jedes trifft. Diese Waffe wird gefürchtet, zumindest verursacht sie Ärger bei vielen Betroffenen. Unerbittlich sind seine Darstellungen gegen Diktatur, Terror und Gewalt. Und auch gegen das Spiessertum und die Anpasserei in den eigenen Schweizer Reihen.

Deswegen wird er immer wieder bedroht, auch von rechten Kreisen aus seiner eigenen Nachbarschaft. Dies veranlasst «Bö» dazu, in seinem Atelier stets ein Gewehr in Griffnähe zu haben. Man wirft ihm Steine in den Garten, reisst den Zaun nieder, lässt ihn aber auch wissen, dass sein Name auf jener Liste stehe, die dann zuerst abgehakt würde... «Bö» nimmt diese Drohungen ernst, einschüchtern lässt er sich jedoch nicht.

«Bö»‘s Schaffen wird oft auf seinen Kampf gegen braune und rote Fäuste reduziert. Zu Unrecht: In den Nachkriegsjahren nimmt er mit den Mitteln des Karikaturisten den Kampf gegen aktuellen Themen der Zeit auf. Unter Karikaturisten ist «Bö» legendär. Über die kritischen Medienkreise hinaus gilt er als steter Kämpfer gegen Opportunismus, als ein umfassender Zeitkritiker mit untrüglichem Urteil. In der Rückschau wird sein Werk zu einer kritischen Chronik, welche die Geschichte der Schweiz und die Schweizer selbst schlaglichtartig dokumentiert – ohne, dass «Bö» darüber die Kritik an sich selbst und seine Selbstironie vergessen würde. Carl Böcklis Werk ist Teil der Schweizer Kulturgeschichte.

  • Carl Böckli wird als Sohn des Kaufmanns Johannes Böckli geboren. Die Primar- und Sekundarschule besuchte er in Zürich-Wiedikon. Von 1906 bis 1908 macht er eine Ausbildung an der Kunstgewerbeabteilung des Technikums Winterthur.
    1889
  • Carl Böckli arbeitet als freier Grafiker in St. Gallen und als Zeichenlehrer am Institut Schmidt auf dem Rosenberg. Bis 1928 unterrichtet er auch an der Buchdrucker-Fachschule St. Gallen.
    1920
  • Carl Böckli wird Redaktor des «Nebelspalters». Im selben Jahr findet im Kunstmuseum St. Gallen eine Ausstellung mit Bildern des Kunstmalers und Grafikers Böckli statt.
    1927
  • Ab 1936 wohnt Carl Böckli mit seiner Frau Maria Geiger in Heiden. In den Dreissigerjahren beginnen zwei Themen die Karikaturen im «Nebelspalter» zu dominieren: der Nationalsozialismus in Deutschland und die Reaktionen in der Schweiz. «Bö» wird mit seiner spitzen Feder zum Vorkämpfer der «Geistigen Landesverteidigung».
    1936
  • Nach dem Krieg gilt «Bö»'s Interesse zunehmend dem Kampf gegen Umweltsünden wie der Verbauung der Landschaft. Aber auch die Schweizerart selbst im Sinn von «So simmer» behandelt «Bö» in seinen Karikaturen.
    1952
  • Am 4. Dezember stirbt «Bö» bei einem Verkehrsunfall in Heiden.
    1970

Seine Karikaturen

Es bleibt eine Herausforderung, das umfangreiche und vielfältige künstlerische Werk von «Bö» zu würdigen. Die untenstehende Gallerie soll aus diesem Grund einen ersten Einblick vermitteln und dazu motivieren, sich seinem Werk selbständig zu nähern. Es ist eine Aufgabe, die sich lohnt, da seine Karikaturen auch heute nichts von ihrer Aktualität und Treffsicherheit verloren haben.

Die untenstehenden Karikaturen wurden absichtlich nicht kommentiert, sondern sollen für sich sprechen. Jeder und jede sollen damit eigene Überlegungen anstellen und sich selber Gedanken machen. Dies trägt der Absicht «Bö»'s Rechnung, sein Werk der Diskussion zu stellen und für seine Karikaturen unterschiedliche Interpretationen zuzulassen.

Bö erzählt

In einem ausführlichen Beitrag des Schweizer Fernsehens spricht der sonst sehr verschlossenen Carl Böckli ausführlich über sein Werk. Die folgenden Ausschnitte geben einen Einblick. Der Film kann in voller Länge im Historischen Museum Heiden angeschaut werden. Lassen wir aber jetzt «Bö» selber zu Wort kommen:

Wie hat das bei dir angefangen mit dem Zeichnen?

Wie entsteht eine Karikatur?

Liest du uns eine deiner Lieblingskarikaturen vor?

Wurdest du öffentlich wegen deiner Karikaturen angefeindet?

Wie siehst du dich selbst?

Seine Zeichnungen

Neben seinen Karikaturen hat «Bö» auch zeitlebens Zeichnungen und Bilder angefertigt. Die meisten sind allerdings nicht im Nachlass, da er viele davon an Bekannte verschenkte. Einige Skizzen sind jedoch erhalten geblieben. Unten eine Auswahl:

(Quelle: Kindhauser, Erwin, u.a. (Hg.): Carl Böckli, Bö. Seine Zeit-Sein Werk, Rorschach 1990.)

Bö Stiftung

In Heiden wurde vor ein paar Jahren die Bö-Stiftung ins Leben gerufen. Angeschlossen an das Historische Museum Heiden, bezweckt sie die Unterstützung und Förderung aller Massnahmen und Aktivitäten, die bewirken können, dass die Erinnerung an Carl Böckli alias «Bö» und dessen geistiges Erbe erhalten bleibt. Die Stiftung ist vorab im Kanton Appenzell Ausserrhoden tätig.

Mehr Informationen gibt es hier.

Weiterlesen zu «Bö»

In den folgenden Publikationen finden Sie weitere Informationen für eine weitere Beschäftigung mit dem Leben und Werk von Carl «Bö» Böckli:

  • Der Nachlass von Carl Bö Böckli befindet sich im Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich. Mehr Infos finden sich hier.
  • Publikationen des ehemaligen Herausgebers der Satirezeitschrift Nebelspalter Löpfe-Benz: In den beiden Bänden «Seldwylereien» und «Abseits vom Heldentum» werden viele Karikaturen Bös übersichtlich zusammengestellt. Leider heute vergriffen und meist nur über Bibliotheken auffindbar.
  • Kindlishauser, Ernst, u.a. (Hgg.): Carl Böckli, seine Zeit – sein Werk, Rorschach 1990.
    Wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Werk Bös. Verschiedene, kurze Aufsätze betten die Karikaturen Bös in ihren geschichtlichen Zusammenhang ein und helfen, die unterschiedlichen Dimensionen von Bös Schaffen besser zu verstehen.
  • Stäuble, Eduard: Das Bö-Buch, Rorschach 1975.
    Eine saubere Auswahl von Bö-Karikaturen, die alle Schaffensperioden und Themen abdeckt. Angereichert ist das Buch durch eine ausführliche Einleitung vom Journalisten Eduard Stäuble und ergänzenden Texten, u.a. Briefauszügen von Bö an seine Schwester Bertie.
  • Stäuble, Eduard: So simmer! Ein satirischer Schweizerspeigel, Rorschach 1980.
    Ein handliches Büchlein mit einer kurzen Einleitung und einer Vielzhal von Bös Karikaturen aus allen Schaffensperioden. Für einen Überblick über Bös Schaffen und die Vielfalt seiner Karikaturen sehr zu empfehlen.