Die Schaffensjahre von Theodosius Florentini fallen in die Mitte des 19. Jahrhunderts und damit in eine Zeit, die von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen geprägt ist. Die Konflikte zwischen liberaler Staatsordnung und katholischen Orden spitzen sich zu: Überall in der Schweiz werden Kirchen und Klöster geschlossen. Florentini als überzeugter Katholik lebt gefährlich. Im aargauischen Baden eskalieren die Gegensätze in den 1830er Jahren. Genau zu dem Zeitpunkt, als er im dortigen Kapuzinerkloster federführend ist. Vom liberalen Staat wird ihm vorgeworfen, die Bevölkerung aufgewiegelt und zu Protesten aufgerufen zu haben: Er wird steckbrieflich gesucht und muss ins Elsass fliehen. Nach nur wenigen Monaten Exil kehrt er voller Tatendrang in die Schweiz zurück. Auf drei Grundpfeilern wird er fortan sein Lebenswerk aufbauen.
Als erstes widmet er sich dem Gesundheitswesen. Er engagiert sich in Spitälern, Heimen und der Altersfürsorge. Zweitens reformiert er das katholische Schulwesen. Im Kollegium «Maria-Hilf in Schwyz» entwirft er einen völlig neuen Lehrplan, in den er auch industrielle und technische Fächer aufnimmt. So ebnet er den katholischen Schulen den Weg in die moderne Berufs- und Arbeitswelt. Im Zusammenhang mit seinem Einsatz im Gesundheitswesen und der Pädagogik gründet er eigene Schwesterinstitute in Menzingen und Ingenbohl und betraut sie mit umfassenden Aufgaben. Frauen erhalten so Zugang zu Führungspositionen, wie sie in der bürgerlichen Welt des 19. Jahrhunderts sonst nicht vorstellbar gewesen wären. Drittens befasst sich Florentini mit dem Industrie- und Fabrikwesen. Als Ordensmann kommt er viel mit Menschen auf dem Land in Kontakt und erlebt die oftmals ausbeuterischen Arbeitsbedingungen hautnah: So auch die Kinderarbeit. Als Gegenmittel gründet er eigene Fabriken, mit für damalige Verhältnisse akzeptablen Arbeitsbedingungen. Er will mit diesen christlichen Fabriken mit gutem Beispiel vorangehen. Zwar scheitern seine wirtschaftlichen Unternehmungen an der harten Realität der Märkte, trotzdem sind sie rückblickend die ersten Versuche, humane Arbeitsbedingungen sicherzustellen.
Seine vielfältigen Tätigkeiten nehmen im Jahr 1865 ein abruptes Ende. Während einer Reise verstirbt Florentini in Heiden im Alter von 57 Jahren. Aus heutiger Sicht gilt Theodosius Florentini als eine der prägendsten Gestalten der katholischen Kirche der Schweiz des 19. Jahrhunderts und sein Werk hat Nachwirkungen bis in unsere Zeit. Sein Leitsatz behält seine Eindringlichkeit: «Eine Reform muss zuerst das Innere umgestalten, dann von innen nach aussen sich entfalten. Wer die Gesellschaft reformieren will, muss zuerst sich selbst reformieren.»